Das japanische Erbe
KAPITEL 1
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Im Spätsommer des Jahres 1888 wird ein Junge namens Tokuzo Akiyama in der japanischen Stadt Sabae geboren. Nach einer behüteten Kindheit geht er im Alter von 16 Jahren in die nahegelegenen Berge der Provinz Echizen mit dem ehrgeizigen Ziel oberster Mönch im Kloster zu werden. Bereits zuvor hatte er sich kurzzeitig in den Ausbildungen zum Kendo-Lehrer und Soldaten versucht. Schnell gelangweilt von alldem bricht er diese jedoch kurzerhand ab. Auch das Kloster muss er wegen diverser disziplinärer Übertretungen nach drei Monaten wieder verlassen – er wird exkommuniziert.
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Durch ein kulinarisches Schlüsselerlebnis entdeckt Tokuzo dann eines Tages die Liebe zum Kochen. Fortan ist er nur noch von einem einzigen Gedanken beseelt: Er will der beste Koch im Kaiserreich Japan werden. Zunächst zieht es ihn in die Hauptstadt Tokio, die bereits zu dieser Zeit schon über zwei Millionen Einwohner zählt. Mit seinem sturen und eigenwilligen Charakter sowie seiner zügellosen Ungeduld stößt Akiyama während seiner Ausbildung ständig auf Probleme, da er sich durch den langwierigen japanischen Lernprozess stark eingeschränkt fühlt. Nun trifft er eine Entscheidung, die sein Leben verändern soll. Er will umgehend die Kunst der westlichen Küche erlernen und hat sein nächstes Ziel vor Augen: Paris!
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1908 macht er zunächst Zwischenstation im Berliner Hotel Adlon, wo er sogleich eine Anstellung als Koch findet. Nur ein Jahr später erreicht er schließlich die französische Hauptstadt. Sein handwerkliches Geschick und seine Liebe zur Arbeit werden dort schnell erkannt, und er erhält eine Anstellung im Hotel Ritz Carlton. Dort arbeitet Akiyama unter Aufsicht des legendären Auguste Escoffier. Dieser gilt als Schöpfer der Grande Cuisine; sein Werk Guide Culinaire gilt noch heute als die formale Grundlage der Kochkunst des 20. Jahrhunderts. Unter Escoffiers Leitung entwickelt sich Tokuzo Akiyama zu einem herausragenden Koch von Weltklasse-Format.
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Im Jahr 1915 – im Alter von 27 Jahren – kehrt er nach Japan zurück und wird dort zum Chefkoch des Kaisers ernannt. Nach fast 60 Jahren im Dienste der kaiserlichen Familie bittet er schließlich den Tenno im Jahr 1972 voller Demut in den Ruhestand gehen zu dürfen, da er mit mittlerweile 84 Jahren glaubt, die eigens in ihn gesetzten Erwartungen nicht mehr erfüllen zu können. Akiyama konnte in seiner Ära zahlreiche Staatsoberhäupter, Kaiser und Könige mit seiner Kochkunst verzaubern. Während der Zeit am kaiserlichen Hof erlebte er 1923 das große Tokioter Erdbeben, zwei Weltkriege und die Besatzungszeit der Amerikaner, was für Akiyama eine große Herausforderung darstellte und genug Stoff bot, um sein Leben dreimal zu verfilmen.
KAPITEL 2
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Thomas Akiyama, der Enkel des besagten Kochs, ist seit 1991 in der Fassungsindustrie in Deutschland tätig. Obwohl in Hannover geboren, verbringt er den Großteil seiner Kindheit in Tokio und kehrt dann im Alter von sieben Jahren nach Deutschland zurück. Seinen Großvater, über dessen Bedeutung er zu dieser Zeit nur wenig weiß, kennt er lediglich von einigen Besuchen im Kaiserpalast.
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Im Jahr 2008 – fast genau 100 Jahre sind vergangen, seitdem sein Großvater nach Berlin reiste – unterzeichnet er einen Anstellungsvertrag beim renommierten japanischen Brillenprouduzenten Aoyama Optical in Sabae, dessen deutsche Niederlassung er fortan leiten soll. Selbst jetzt weiß Akiyama (noch) nicht, dass es sich hierbei um die Geburtsstadt seines Großvaters handelt und er zu den Wurzeln seiner Familie zurückgekehrt ist. Erst zwei Jahre später, anlässlich der Silmo in Paris, soll er von seinen japanischen Kollegen erfahren, dass Tokuzo Sabaes prominentester Bürger ist. Hier schließt sich der Kreis.
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Im Jahr 2011 reift in Thomas Akiyama die Idee einer eigenständigen Designer-Kollektion. Sie soll authentisch sein, heißt, seine deutsch-japanischen Wurzeln widerspiegeln. „Der Gedanke der Einfachheit ist in der japanischen Kultur tief verwurzelt. Es lag auf der Hand, etwas Minimalistisches zu konzipieren: etwas, was Ruhe und Harmonie ausdrückt und einen Gegenpol zum überfrachteten Markt darstellt“, betont Akiyama und zitiert gerne Antoine de Saint Exupéry: „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern nichts mehr weglassen kann“.
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Als dann im Juli 2011 anlässlich eines Workshops das Wort makellos in der Diskussions-Runde fällt, ist der Kollektionsname gefunden. Noch während des Meetings beauftragt Akiyama seine Agentur, ein entsprechendes Logo zu kreieren. Klar, reduziert und viel Weißfläche soll es haben. Natürlich darf der rote Punkt (jap. Hinomaru, zu Deutsch Sonnenscheibe) nicht fehlen. Analog zu Akiyamas Wahlheimat wird das Logo später zu makellos.POTSDAM erweitert.
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Der Vertrieb erfolgt zunächst über die Aoyama Optical Germany GmbH, dessen Geschäftsanteile Akiyama zwischenzeitlich übernommen hat. Fortan wird entschlossen an der Kollektion gearbeitet, Designer hinzugezogen und Produktionsstätten geprüft. Mittlerweile wird ein großer Teil der Fassungen im nahegelegenen Rathenow gefertigt, was genau wie Sabae eine lange Tradition in der Augenoptik besitzt. Die ersten Brillenfassungen werden mit Erfolg Anfang 2013 ausgeliefert.
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Darauf angesprochen, ob sein Großvater ihm gewisse Talente vererbt hat? „Wenn Sie das Kochen meinen, leider nein. Dann besäße ich jetzt wohl ein Restaurant mit makellosen Speisen im Angebot. Das Wertvollste, was mein Großvater mir vererbt hat, ist die Haltung, seine Arbeit jeden Tag aufs Neue vom ganzen Herzen zu tun“, sagt Akiyama und schließt mit einem japanischen Sprichwort ab: „Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen. Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst“.